Klassiker lesen und dabei entspannen? Mit diesen 10 Büchern kannst du lustige, spannende oder nachdenkliche Stunden verbringen. # LitWiss #Germanistik # lesen
Kolumne

Entspannt Klassiker im Urlaub lesen

Das Semester ist endlich geschafft! Es war als digitales Semester eher etwas härter als üblich, oder sagen wir, viel von dem, was lange Lernstunden allein zu Hause ausgleicht, hat einfach gefehlt. Keine Café-Besuche in Seminarpausen, kein persönlicher Austausch im Seminar, kein gemeinsames Abfeiern von Sitzungen, weil man erlaubte Fehlstunden noch nicht ausgereizt hat 😉 Und jetzt sind die Ferien da, du könntest dich endlich zurücklehnen und entspannen, mal was anderes als die Klassiker lesen, oder?

Wenn, ja wenn, da nicht ständig dieses nagende Gefühl wäre, dass du doch deine Zeit auch irgendwie sinnvoll nutzen musst. Dass du doch wenigstens ein bisschen lesen könntest, um endlich dem Gefühl etwas näher zu kommen, dich in der literarischen Welt so richtig gut auszukennen. Na, erkennst du dich wieder? Dann ist dieser Artikel hier nur für dich. Denn ich möchte dir 10 Klassiker vorschlagen, die zu lesen sich richtig lohnt und bei denen man kaum merkt, dass es Klassiker sind. Von witzig über spannend bis ergreifend, ist alles dabei! Natürlich findest du in den Tipps sowohl kanonische Texte als auch solchen, mit denen du deinen Kanon erweitern kannst.

Warum Klassiker im Urlaub lesen

Mit den Klassikern, das ist so ein komisches Ding. Einerseits überschätzen wir sie maßlos. Heben sie in den Himmel hinauf und bei manchen hat man, wenn man ehrlich ist, das Gefühl, dass das nur geschieht, weil sie vor langer Zeit geschrieben und für wertvoll erklärt wurden. Auf der anderen Seite unterschätzen wir Klassiker aber auch nicht selten. Sperrig, unzugänglich, ein hartes Stück Arbeit oder einfach langweilig – solche und ähnliche Assoziationen sorgen dafür, dass wir uns dieser Art von Literatur eigentlich eher ungern näher. Es sei denn, man zwingt uns dazu, oder?

Welche Klassiker im Urlaub lesen

Beides tut weder den literarischen Werken noch deiner Klassiker-Belesenheit gut. Nimmt man einen Klassiker in die Hand, um ihn zu lesen, so beschleicht einen sofort diese „och-nö-nicht-gerade-jetzt-das-ist-mir-jetzt-zu-anstrengend“-Gefühl. Dabei gibt es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen zeitgenössischer Literatur und Klassikern. Man muss eigentlich einfach nur wissen, was davon man selbst gerne lesen würde, bzw. womit man eine gute, lustige, spannende oder intensive Zeit verbringen kann. Damit es dir leichter fällt, Klassiker zu finden, die deine Urlaubslektüre ergänzen ohne sie allzu sehr zu beschweren, habe ich heute 10 Klassiker-Tipps für dich. Streng genommen sind nicht alle diese Werke kanonisiert, was auch daran liegt, dass ich versucht habe, ebenso viele Werke von Schriftstellerinnen wie von Autoren aufzulisten. Aber bei allen ist die Lektüre lohnenswert und mit allen kannst du auch im literaturwissenschaftlichen Seminar glänzen.

Du willst Klassiker im Urlaub lesen, weißt aber nicht welche? Ich habe 10 Tipps für dich. #lesen #Urlaub #LitWiss #Kanon

10 Klassiker für deine Urlaubslektüre

Jetzt aber genug der Argumente für Klassiker in deinem Reisegepäck, jetzt sollst du endlich erfahren, was du getrost einpacken kannst.

Voltaire: Candide

Ein All-Time-Favorite von mir ist dieses kurze, eher selten hervorgekramte Büchlein. Es handelt sich dabei um einen satirischen Erzähltext, der die Erziehungsbücher seiner Zeit ordentlich aufs Korn nimmt. Der Text ist übrigens 1766 veröffentlicht worden, also vier Jahre nach Rousseaus „Emile oder Über die Erziehung“. Wenn du diesen Schinken mal lesen musstest, dann weißt du, was Voltaire gemeint hat. Candide wird wohlwollend und in Umsetzung all der Erziehungsideale seiner Zeit großgezogen. Doch als er dann in die Welt hinausgeht, voll Optimismus und Lebensfreude, passiert ihm – oh Wunder – ganz und gar nicht nur Gutes und Schönes. Im Gegenteil nimmt sein Leben eigentlich immer die schlimmstmögliche Wendung. Dabei verliert er aber niemals seinen unerschütterlichen Optimismus. Schließlich ist er überzeugt, in der besten aller Welten zu leben und die bestmögliche Erziehung genossen zu haben. Das Ganze ist so pointiert geschrieben, dass es einfach herrlich witzig ist.

Kurt Tucholsky: Schloß Gripsholm

Dieser Klassiker stand schon lange auf meiner langfristigen Leseliste und jetzt habe ich ihn endlich gelesen. Warum nur erst jetzt? Habe ich mich gefragt, denn das Lesen macht einfach Spaß. Tucholsky erzählt eine leichte Sommergeschichte über ein Liebespaar, dass seinen Sommerurlaub in Schweden verbringt. Und obwohl da noch der erste Weltkrieg mitschwingt – zwischendurch kommt ein Kriegskamerad des Protagonisten sie besuchen – ist die Geschichte des unkonventionellen Paares oft so witzig, dass es schon fast ins Alberne übergeht. Das ein oder andere Mal fragt man sich sogar, ob Tucholsky wohl manchmal Gedanken gehabt haben könnte wie z.B. „Nee, Kurt, das kannst du nicht bringen, so etwas zu veröffentlichen. Das wird doch keiner Ernst nehmen, so albern wie das ist“.

Aber da die Geschichte eben nicht nur leichtfüßig ist, sondern auch nachdenkliche Momente hat, ist sie eben gar nicht oberflächlich, sondern hängt einem bei allem Witz trotzdem noch nach und regt auch zum Weiterdenken an. Denn z.B. das bis heute sehr zeitgemäße Thema der klassischen und neue Rollenbilder wird aufgegriffen oder eben, wie schon erwähnt, die Kriegserfahrung und die erneut drohende Kriegsgefahr (das Buch ist 1931 erschienen).

Irmgard Keun: Das kunstseidene Mädchen

Mit diesem Roman verbindet mich eine Geschichte. Ich habe das Buch nämlich zum Abitur von meiner Tutorin und absoluten Lieblingslehrerin geschenkt bekommen. Es ist also schon ziemlich lange her, dass ich es zum ersten Mal las und es war eine wahrhaft Augen öffnende Lektüre. Irmgard Keun gehört nämlich nicht gerade zu den kanonisierten Autor*innen und die weibliche Perspektive auf die zeitgeschichtlichen Besonderheiten der 1920er Jahre, die sie hier bietet, war für mich ziemlich neu. Die Protagonistin ist in einem ähnlichen Alter wie ich damals war und möchte vor allem eines – ein Glanz werden.

Glanz bedeutet für sie Schauspielerin oder etwas ähnlich (vor allem optisch) Betörendes. Sie beginnt ihre Karriere als Stenotypistin, bekommt dann und wann auch eine Statistenrolle, aber nach ganz oben kommt sie nie. Da hilft es auch nicht, dass die goldenen 20er-Jahre sich langsam dem Ende zuneigen und es immer schwieriger wird, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Trotzdem verliert die Geschichte nicht unbedingt an Leichtfüßigkeit und Witz mit dem man der Protagonistin bis nach ziemlich weit unten folgt. Aber mehr möchte ich nicht verraten, denn du solltest dieses besondere Buch am besten selbst lesen!

William Shakespeare: Ein Sommernachtstraum

Jetzt fragst du dich bestimmt: „Ernsthaft? Shakespeare? Lesen? Ein Drama?“ Aber ja! Denn es gibt natürlich tolle Inszenierungen, aber Theater ist halt gerade in unseren Corona-geplagten Zeiten nicht so angesagt und Filme gibt es auch, aber die zeigen nur selten, die ganze Bandbreite von Shakespeares Schreiben. Denn gerade im Sommernachtstraum liegt so viel Sprachwitz.

Die Irrungen und Wirrungen, die Albernheiten und Fantasiewelten erfasst man irgendwie erst dann in vollem Umfang, wenn man das Ganze mal schriftlich vor Augen hat. So ist es mir jedenfalls ergangen, als ich zum ersten Mal einen Text von Shakespeare gelesen habe. Das hatte dann übrigens die interessante Folge, dass ich dann – noch während meiner Schulzeit – eine ganze Shakespeare-Phase hatte, in der ich ein Drama nach dem nächsten von ihm gelesen habe. So ausufern muss das bei dir natürlich nicht, denn aus dieser Erfahrung heraus, kann ich dir empfehlen: Wenn du nur einen Text von Shakespeare lesen möchtest, dann nimm einfach den Sommernachtstraum!

Rainer Maria Rilke: Malte Lauridds Brigge

Rainer Maria Rilke kennen und lieben wir ja hauptsächlich als Dichter. Aber er schrieb nicht nur Verse über den Gardin du Luxembourg und über einen rosa Elefanten, nein, es gibt von ihm auch Erzähltexte. Darunter kürzere Novellen, Märchen und eben der „Malte„. Das ist keine ereignisreiche Lektüre, sondern eher ein literarischer Spaziergang durch Paris. Der Protagonist, ein Flaneur, beobachtet das Leben um sich herum. Das ist angenehm zu lesen und schön geschrieben. Nicht belanglos aber auch nicht allzu schwer verdaulich. Ein wenig wie eine Reise nach Paris. Und da wir ja alle im Moment wegen „Corona“ so schlecht in echt reisen können, sollte man diese Möglichkeit des Eskapismus ruhig voll ausnutzen.

Lou Andreas-Salomé: Das Haus

Wunderbar dazu passt übrigens der Roman „das Haus“ von Lou Andreas-Salomé. Diesen Roman habe ich erst vor Kurzem entdeckt und er liegt völlig außerhalb des literarischen Kanons. Obwohl Lou Andreas-Salomé zu Lebzeiten als Schriftstellerin ziemlich anerkannt war, wird ihr literarisches Werk heute meist verkannt. Das mag daran liegen, dass ihre Zeitgenossin Hedwig Dohm sie als „Antifeministin“ bezeichnet hat und man heute – wenn man schon den Kanon erweitern möchte – nicht den Fehler machen will auf eine solche zurückzugreifen.

Es stimmt, die Frauenfiguren sind auch in diesem Roman nicht gerade revolutionär, aber sie sind psychologisch dicht und durchaus in ihrer Widersprüchlichkeit dargestellt. Da ist z.B. die gerade erwachsen werdende Tochter der Protagonistin. Sie möchte heiraten und dem Ideal einer guten Hausfrau entsprechen. Gleichzeitig passt diese Rolle nicht zu ihr, sie möchte ausbrechen, verlässt ihren Mann. Dann kehrt sie aber doch wieder zurück, weil sich der Kampf in ihr zwischen den gesellschaftlichen Idealen, die sie sich angeeignet hat und ihrem natürlichen Freiheitswillen einfach nicht auflöst.

Neben solchen psychologisch uneindeutigen, dichten Figurenporträts, zeichnet Andreas-Salomé in „das Haus“ auch einfach das Leben in intellektuellen Kreisen im 19. Jahrhundert nach. Das Ehepaar, um das es geht, hat nicht nur einen dichterisch begabten Sohn, die Mutter ist auch selbst Musikerin oder wollte dies vor der Heirat einst werden und sie unterhalten Freundschaften zu anderen Künstlern und Freidenkern. Trotzdem ist das Leben in dem Haus am Waldrand beschaulich und langsam. Eine angenehme Lektüre, die aber auch das ein oder andere Überraschungsei bereithält. Die Autorin selbst hat nämlich verraten, dass darin auch einige Künstler aus ihrem Eigenen Bekanntenkreis hierin verewigt wurde, so z.B. auch Rilke. Man darf also auf die Suche gehen.

Mary Shelley: Frankenstein

Wenn du Frankenstein nie im Original, also als Buch, gelesen hast, so verbindest du damit als erstes wahrscheinlich populärkulturelle Darstellungen in Filmen. Der aus Leichenteilen zusammengesetzte Mensch mit giftgrüner Haut und zwei Schrauben am Hals, die den Kopf auf dem Körper halten, ist eines der splatter-horror-Monster par Excellence. Ich weiß nicht mehr wie ich als absolute nicht-horror-feste Leserin bei Mary Shelley gelandet bin (wahrscheinlich über E.T.A. Hoffmann und die Schauer-Romantik), aber ich bin froh, diesen Erzähltext einfach mal gelesen zu haben. Das Original ist nämlich viel weniger auf Effekte ausgerichtet als die popkulturellen Darstellungen.

Statt dessen geht es bei Shelley mehr um Fragen der Identitätsbildung. Wie viel Monster steckt in dem „neuen Menschen“ von Dr. Frankenstein (für Shelley eher wenig) und wie sehr machen andere ihn dazu? Wie kann dieses Individuum es schaffen, seine Selbstfindung zu übernehmen? Wird es jemals etwas geben, mit dem sich dieses Wesen identifizieren kann? Du merkst schon, das Ganze geht auch wieder stark in die psychologisierende Richtung und genau das macht die Geschichte so spannend.

Bram Stoker: Dracula

Ähnlich überrascht wie bei Frankenstein war ich auch bei Bram Stokers „Dracula“. Auch hier haben wir weniger den flachen Charakter des blutrünstigen Vampirs der popkulturellen Adaptionen und viel mehr Ambivalenz. Graf Dracula ist Gentleman und Monster, Täter und Opfer, Jagender und Gejagter. Van Helsing, sein Gegenspieler, schwankt fast ebenso zwischen Wissenschaftler und Jäger, Theoretisierer und Mann der Tat, sanftem älterem Herrn und zupackendem Teufelsaustreiber. Selbst wenn hier Gut und Böse klar gegenüberstehen und man beim Lesen immer weiß, für welche Seite man sein soll, so ist das Ganze weniger platt als ich es, ehrlich gesagt, erwartet hätte. Hinzu kommt eine schöne, leicht altmodische Sprache und eine wirklich spannende Geschichte. Also: Selbst für nicht-Horror-Fans wie mich eine absolut bereichernde Lektüre.

Simone de Beauvoir: Das Blut der anderen

Ich habe ja anfangs versprochen, die Genres, Themen und Erzählweisen möglichst bunt zu mischen. Kommen wir nach „witzig“, „psychologisch dicht“ und „spannend“ also zu Büchern, die sehr nachdenklich stimmen und ein recht intensives Leseerlebnis bieten. „Das Blut der anderen“ von Simone de Beauvoir ist eine Geschichte, in der es um Handeln und nicht-Handeln, Schuld und Entscheidung geht. Das Ganze steht im Zeichen des französischen Existentialismus und folgt der Idee vollkommener Verantwortlichkeit für die eigenen Entscheidungen. Hintergrund der Geschichte ist die französische Résistance während des zweiten Weltkriegs. keine leichte Kost also, aber eine Lektüre, die noch lange nachwirkt und einen wirklich zum Nachdenken bringt.

Sofja Tolstaja: Eine Frage der Schuld

Kennst du Tolstois Kreuzersonate? Ein kanonisierter Klassiker, in dem eine Ehegeschichte erzählt wird. Protagonist ist ein Mann, der seine Ehefrau aus Eifersucht ermordet, von der Tat aber gerichtlich freigesprochen wird. Tolstoi gelingt eine gesellschaftskritische Novelle und doch bleibt seine Perspektive männlich geprägt. Die Kehrseite der Geschichte, die Seite der Ehefrau, erzählt Sofja Tolstaja, Ehefrau von Tolstoi in „Eine Frage der Schuld“.

Auch dieser Roman ist psychologisch dicht und gesellschafts- und literarhistorisch einfach mega interessant. Denn die früh verheiratete Protagonistin weiß schnell nicht mehr, wohin mit sich in ihrem goldenen Käfig. Die mehrfache Mutterschaft füllt sie nicht aus und sie spürt, dass ihr Mann sie nicht wirklich liebt. Aus diesem glücklosen Leben gibt es so gut wie keine Möglichkeit für sie auszubrechen und das entspräche auch nicht dem eigenen Ideal, den Selbstansprüchen der Protagonistin. Aber ich möchte nicht zu viel verraten, kann dir nur noch einmal dieses Buch als Ergänzung deines ganz persönlichen Klassiker-Kanons empfehlen.

Und, was sind deine Lieblingsklassiker?

Witzig, spannend, interessant oder intensiv – in meinen 10 Tipps habe ich versucht, dir möglichst viele unterschiedliche Klassiker zu empfehlen. Aber was liest du denn überhaupt am liebsten? Was sind deine Lieblingsklassiker? Denn, ehrlich gesagt, nehme ich nach wie vor gerne mal einen für mich neuen oder auch schon einmal gelesenen Klassiker in die Hand.

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