Amerikanische Literatur,  Belletristik,  Geheimgesellschaft,  Google,  Neuerscheinungen 2014,  Penumbra

Belletristik-Rezension: Robin Sloans „sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ ist literarisches Kleinod vom Feinsten!

Es gab in den letzten Jahren immer wieder einmal Romane über Buchhändler oder Buchhandlungen, die versuchten, diesen Menschen und Orten einen besonderen Zauber anzudichten. In meinen Augen gibt es genau einen, dem dies gelungen ist und das ist Robin Sloans „sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“. Denn nur dieser Roman schafft es, einen religiösen Buch-Geheimbund mit Google zusammenzubringen, ohne eins von beidem mehr zu verteufeln als das andere oder, anders herum, einem von beidem den Sieg über das andere zu überlassen. Sloans Charaktere sind verschroben, aber realistisch, genau wie sein Setting und so verwebt sich Zauber und Realismus zu einer wunderbaren kleinen Flucht aus dem Alltag.

Ein durchgängig geöffneter Buchladen

Robin Sloans „Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ ist ein wunderbarer Roman über Bücher in Zeiten der Digitalisierung. #Literatur #Lesen #Rezensionen

Clay Jannon war ein aufstrebender Webdesigner bevor die Firma, die ihn beschäftigte (ein innovativer Bagel-Laden), den Bach runter ging und ihn arbeitslos werden ließ. Nach verzweifelter Jobsuche und immer mehr Abstrichen bei seinen Ansprüchen landet er schließlich in einem 24 Stunden geöffneten Buchladen. Sein Einstellungstest besteht darin, auf einer unendlich erscheinenden Leiter in 3 Metern Höhe ein Buch aus dem Regal zu angeln. Diese Buchhandlung geht nämlich buchstäblich in die Höhe und nicht in die Breite. Sein neuer Chef mit dem klingenden Namen Penumbra gibt ihm drei seltsame Regeln mit und überlässt ihm dann die Nachtschichten in seinem Laden.

Clay dokumentiert von nun an regelgemäß jeden der Kunden, der ein Buch ausleiht. Auch Erscheinungsbild und Gemütszustand werden genau festgehalten in einem dicken Logbuch. Ja, richtig gelesen, die Kunden leihen meistens Bücher aus. Das macht den Buchladen natürlich teilweise zu einer Bibliothek, aber eben nur teilweise. Im vorderen Bereich werden ganz normal Bücher verkauft. Im hinteren stehen die von Clay liebevoll „Ladenhüter“ genannten Werke, die von verschrobenen, oft atemlosen und immer sehr beschäftigt wirkenden Stammkunden der Reihe nach ausgeliehen werden. In diese Ladenhüter darf Clay niemals hineinsehen. Das ist Regel zwei und natürlich ist sie da, um gebrochen zu werden. Ebenso wie die dritte Regel, die besagt, dass kein Buch aus dem hinteren Teil des Ladens mitgenommen werden darf, es sei denn, man hat eine Mitgliedsnummer.

Geht es in Robin Sloans „sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ darum Buch gegen Computer antreten zu lassen?

Was tut man nun als junger Buchverkäufer die ganze Nacht über, wenn kaum richtige und nur sehr wenige Ausleih-Kunden kommen? Nun, Clay versucht zunächst die Strategie des Ladens zu optimieren. Er schaltet eine Anzeige bei Google, nur um festzustellen, dass es seine Zielgruppe nicht gibt. Dann entwirft er eine Visualisierung des Ladens, die er mit Daten aus seinem Logbuch füttert. Als er gerade auf diese Weise prokrastiniert, bringt Google ihm doch noch eine Neukundin. Sie entpuppt sich allerdings schnell als Mitarbeiterin des Großkonzerns. Clay verliebt sich schlagartig in das Mädchen und ist bald bereit, sämtliche Regeln für sie zu brechen.

Jetzt überschlagen sich die Ereignisse. Der junge Buchhändler findet heraus, dass sein Chef und die ganze Buchhandlung einem Geheimbund angehören. Um Kat zu beeindrucken digitalisiert er gemeinsam mit ihr ein altes Logbuch und als Penumbra das Ergebnis sieht, verschwindet er plötzlich. Zusammen mit Kat und seinem besten Freund Neel macht Clay sich auf die Suche und schlittert so direkt ins Herz des Geheimbundes „gebrochener Buchrücken“, der seit Jahrhunderten ein einziges verschlüsseltes Buch zu dechiffrieren versucht.

Auf den Inhalt kommt es an

Genau wie das Thema des Romans schwankt auch das Setting in Robin Sloans „sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ zwischen hochmodernen Konzerngebäuden und alten Kellergewölben. Die Protagonisten sind teilweise berauscht von den Möglichkeiten neuer Technik, teilweise fasziniert von uralter Wissensvermittlung. Doch irgendwie schafft es Sloan, kein abschließendes Urteil darüber zu fällen. Anstatt, wie gerne üblich in der Literatur, die alten Traditionen ins Mystische zu verklären, zeigt er sie als genau das, was sie sind – Medien, die ebenso Teil des technischen Fortschritts sind wie Computertechnologie. Bücher sind ebenso wenig magisch wie Computer und die Codes, die in beiden Medien enthalten sein können, sind es auch nicht. Ewige Werte wie Neugier, Freundschaft und Leidenschaft sind es, die das Leben wahrhaft ausmachen.

Außerdem entwirft Sloan wunderbare Charaktere wie seinen Mitbewohner Mat, der Replikenbastler für Filmkulissen ist oder Kat, die sich von Google das ewige Leben erhofft. Und dann ist da natürlich noch Mr. Penumbra, eine richtige Dumbledore-Figur, die als Mentor unschlagbar ist und den Schalk im Nacken hat. Sie und alle anderen machen diesen Roman zu einem ganz persönlichen und sehr warmherzigen Leseerlebnis.

Lesen!

Ich bin mir sicher, dass Robin Sloans „sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra“ seinen Weg über Mund-zu-Mund-Propaganda auf die Bestsellerlisten und – was viel wichtiger ist – in die Herzen seiner Leser*innen finden wird. Trotzdem und gerade darum, kann ich nur in den Chor derjenigen einstimmen, die beschwören: Lest diesen Roman, ihr werdet keine Sekunde bereuen, er ist ganz wunderbar!

Sloan, Robin: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra. Blessing 2014. ISBN: 978-3-89667-480-7, 19,99€.

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