Digital Humanities,  digitale Lehre

Digitale Lehre: Das Challenge-Experiment

Es gibt ja so Ideen, wenn man die hat, dann denkt man zuerst: „das ist total genial, die Antwort auf alle Fragen und die Lösung aller Probleme“. Fast gleichzeitig kippt das dann um in: „das ist totaler Schwachsinn, das wird niemals funktionieren“. Eine genau dieser Ideen hatte ich als auf der DHd Konferenz 2019 das Motto für die nächste Konferenz verkündet wurde: Spielräume. Ja, genau, dachte ich, etwas Spielerisches muss her. Etwas, das die digitale Lehre innovativer macht. Und so kam ich darauf, die Digital Humanities Challenge (DH-Challenge) zu entwickeln. Das Semester stand schon unmittelbar bevor und ich wusste, dass ich schnell handeln musste. Trotzdem habe ich mich noch kurz umgehört, was andere zu so eine Challenge sagen. Und dann habe ich beschlossen, das Experiment DH-Challenge zu wagen. Heute möchte ich dir davon berichten.

Was ist eine Challenge

Eisbucket-Challenge, No-Plastik-Challenge, Instagram-Challenge, eigentlich hat jeder sofort eine Assoziation im Kopf, wenn er das Wort „Challenge“ hört. Viele Verbinden Challenges nicht gerade mit seriösen Inhalten, sondern eher mit einer Kombination aus Herausforderung und Spaß. Ich selbst kannte das Format vor allem aus dem Bereich des Online-Marketing. Hier findet man Challenges zu unterschiedlichen Themen oft in Form von Mini-Online-Kursen. Es gibt also mindestens zwei Arten von Challenges:

1. Die Social Media Challenge

Zunächst einmal gibt es Challenges, die man ausschließlich in den sozialen Medien durchführt. Die Eisbucket-Challenge, die ich als Beispiel schon erwähnt hab, war so ein Social-Media-Phänomen. Die Teilnehmer stellen sich einer Herausforderung aus Spaß. Dann filmen oder fotografieren sich dabei und teilen das Ganze. Manchmal wird man von Freunden, Bekannten oder Social Media Fans für solche Challenges nominiert, manchmal greift man sie einfach so auf. Aber ein bisschen Gruppenzwang ist wohl immer mit dabei, denn ganz allein würde wohl niemand eine solche Challenge machen.

Challenges sind überall! Warum du das aktuelle Trendformat auch für deine digitale Lehre nutzen kannst, darüber berichte ich dir in diesem Blogbeitrag. Mit Podcast! 

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2. Die Email-Challenge

Die Email-Challenge ist etwas umfangreicher und seriöser als die Social Media Challenge. Sie enthält meistens mehrere Lektionen oder kleine Aufgaben, die in einem bestimmten Rhythmus erledigt werden müssen. Es gibt Challenges, die sich über einige Tage erstrecken und tägliche Aufgaben für die Teilnehmer bereit halten. Andere Challenges gehen über ein paar Wochen und arbeiten mit wöchentlichen Aufgaben. Um diese Art der Challenge durchzuführen, kann man ausgeklügelte Email-Systeme nutzen. Klar, dass auch hier das Soziale wichtig ist, schließlich nutzt man ja Email-Kommunikation. Und auch hier stellt sich der Teilnehmer der Herausforderung nicht allein, sondern meistens gemeinsam mit einem Coach.

Die DH-Challenge sollte einerseits einen seriösen Charakter haben, aber andererseits auch Raum für Spaß und Experimentieren lassen. Besonders wichtig war mir der soziale Aspekt. Mit Hilfe des Challenge-Formats wollte ich die digitale Lehre einfach persönlicher gestalten. Mit etwas Glück sollte es mir gelingen, die Kluft, die sich zwischen Lehrenden und Lernenden oft auftut, zu überbrücken.

Wie ist digitale Lehre in der DH-Challenge umgesetzt?

Digitale Lehre kann viele Gesichter haben. Im Grunde ist natürlich auch die Vermittlung digitaler Methoden eine Art digitale Lehre. Auch Lehre digital zu organisieren gehört im weitesten Sinne dazu. Für mich war aber vor allem wichtig, digitale Tools zu nutzen, um meine Seminarinhalte auf eine neue Art zu vermitteln. An vielen Hochschulen gibt es ja schon eLearning-Systeme. Viele haben z.B. Plattformen mit virtuellen Seminarräumen, in denen Studierende Fragen stellen und diskutieren können.

Mit der DH-Challenge wollte ich diesen Ansatz weiter denken. Die persönlichen Emails landen ja quasi direkt im (virtuellen) Zuhause der Studierenden, nämlich in ihrem Email-Postfach. Die Buttons in diesen Mails führen zu Landing-Pages, die ich extra für die Challenge entwickelt habe. Von diesen Seiten aus geht die Reise weiter zu Video-Tutorials und online-Einführungen in die digitale Methodik. Insgesamt habe ich also digitale Lehre als Vermittlung von Inhalten und in Form der Lehre von digitalen Methoden in die Challenge eingebaut.

Warum funktioniert eine Challenge anders als analoge Hochschullehre

Als Studierender ist man in einer schwierigen Lebensphase. Einerseits ist man bereits viele Jahre zur Schule gegangen und hat ein breites Allgemeinwissen. Andererseits lernt man in den hochspezialisierten Fachbereichen der Unis schnell, dass man erstaunlich große Wissens-Lücken hat. Und das, obwohl man wahrscheinlich die Fächer studiert, in denen man in der Schule immer geglänzt hat. Kein Wunder also, dass Studierende Lehrenden an der Hochschule oft mit einer Mischung aus Respekt und Angst begegnen. Wenn man aber die Studierenden dazu motivieren möchte, sich selbst mehr in ein Seminar einzubringen, kann eine solche Kluft ziemlich störend sein.

In der DH-Challenge habe ich darum versucht, ganz bewusst gegen diese Kluft an zu arbeiten. Ich habe z. B. in den Emails immer jede einzelne Studentin mit Namen angesprochen, fast so wie in einer (einseitigen) Brieffreundschaft. Außerdem habe ich versucht, Fallstricke und Frustrationspotential der digitalen Methodik von Vornherein direkt anzusprechen und dadurch etwas zu entkräften. Um die Grundstimmung der Challenge zu erzeugen, habe ich Sätze gewählt wie „ja, es ist eine Herausforderung“ und „gemeinsam werden wir uns da durchkämpfen!“.

Digitale Lehre per Challenge – Pro und Contra

Ich habe die Challenge ja zunächst mal als Experiment durchgeführt, das in etwa eine 50:50 Chance hatte, entweder gut zu werden oder grandios zu scheitern. Jetzt da das Seminar beendet ist, bin ich insgesamt positiv überrascht, denn die DH-Challenge ist bei den Studierenden gut angekommen. Natürlich gibt es ein paar Verbesserungsmöglichkeiten für diese spezielle Challenge und natürlich hat auch das Format an sich nicht nur Vorteile. Falls du also überlegst, selbst auch einmal eine Challenge in deine digitale Lehre einzubauen, fasse ich dir die Vor- und Nachteile hier noch einmal kurz zusammen.

Nachteile der DH-Challenge

Der größte Nachteil ist der gleich wie bei allen innovativen Formate: Es gibt keine fertigen Vorlagen. Und ich muss zugeben, dass es schon ein wenig Vorbereitungszeit kostet, die Landing-Pages zu entwickeln, die Mails zu schreiben und das Email-System durchzuplanen. Sobald du aber alles gut durchgeplant hast, läuft die Challenge fast wie von selbst.

Der zweite Nachteil ist, dass du für eine Challenge am besten eine eigene Homepage nutzt. Hier kannst du am besten die Landing-Pages installieren, von denen du dann auf die Lernmaterialien verlinkst. Ich habe zum Beispiel meistens auf Inhalte weitergeleitet, die aus dem Projekt stammen, in dem ich derzeit arbeite, dem forTEXT-Projekt. 

Vorteile der DH-Challenge

Die meisten Vorteile habe ich dir eigentlich schon genannt. Darum fasse ich sie hier einfach mal als kurze Liste zusammen:

  1. Persönliche Ansprache der Studierenden
  2. Gemeinsames erarbeiten von Inhalten
  3. Innovation der Lehrmethode (und Überraschungs-Effekt bei den Studierenden)
  4. Einmal aufgesetzt, läuft die Challenge wie von selbst
  5. Spielerische Herausforderung sorgt für Spaß und weckt den persönlichen Ehrgeiz bei den Studierenden. 

Wie du siehst, überwiegen für mich eindeutig die Vorteile.

Digitale Lehre und digitale Methoden aus Sicht der Studierenden

Ich habe weiter oben schon festgestellt, dass die Challenge im Allgemeinen gut aufgenommen wurde. Das weiß ich vor allem, weil ich eine kleine, anonyme Umfrage ans Ende der Challenge gesetzt habe. In dieser Umfrage habe ich die Teilnehmerinnen z. B. gefragt, wie sie das Arbeitstempo bewerten und ob sie Lust bekommen haben, die gelernten Methoden nun in ihrer Hausarbeit anzuwenden. Insgesamt wurden in der Challenge vier Methoden vermittelt: Named Entity Recognition, Topic Modeling, digitale Annotation und Netzwerkanalyse. Von diesen vier Methoden waren digitale Annotation und Netzwerkanalyse die klaren Favoriten. Vielleicht weil sie den traditionellen geisteswissenschaftlichen Methoden etwas ähnlicher sind als die beiden anderen. 

Ein besonders interaktives Format

Ein Ergebnis der Umfrage, dass mich sehr gefreut hat ist, dass die Challenge als besonders interaktiv bewertet wurde. Denn eines meiner Hauptziele war ja, Inhalte nicht über eine kommunikative Einbahnstraße abzuliefern, sondern sie gemeinsam zu erarbeiten. Interessant fand ich auch, dass das Challenge-Format gar nicht als besonders ungewöhnlich betrachtet wurde. Die Studentinnen waren eher von der Methodenvielfalt der Digital Humanities überrascht. Und natürlich freut es mich, dass viele sagen, dass sie die digitalen Methoden auch im weiteren Studium nutzen möchten. Allerdings ist es mir in dem Seminar nicht gelungen, zu zeigen, inwiefern die Methoden den Studierenden in möglichen späteren Berufsfeldern helfen könnten. Ein Punkt, an dem die Challenge definitiv noch verbessert werden kann!

Immer Ärger mit der Technik!

Es ist immer das gleiche Problem, mit dem man bei der Lehre digitaler Methoden konfrontiert wird. Es gibt einfach kein Seminar ohne technische Fehler. Schon in diesem eher kleinen Seminar hatten wir Laptops mit allen drei Betriebssystemen (Linux, Windows und Mac). Und dann gab es natürlich zahlreiche Varianten davon. Alle Desktop-Programme haben bei der Installation auf dem ein oder anderen Studierenden-Laptop Probleme bereitet. Letztendlich lief nur das webbasierte Tool CATMA auf allen Computern stabil. 

Doch die Studentinnen hatten nicht nur in dieser kleinen Umfrage die Möglichkeit, das Gelernte zu reflektieren. Während des Seminars hat jede von ihnen für den Challenge-Blog einen Artikel geschrieben. Darin wird jeweils eine Methode beschrieben und diskutiert. Der erste ist gerade online gegangen, es lohnt sich also jetzt schon auf dem Challenge Blog vorbei zuschauen. Eine spannende Lektüre für alle DH-Lehrenden!

…und aus Sicht der Lehrenden

Für mich ist das Experiment der DH-Challenge auf jeden Fall positiv ausgegangen. Ich fand es total angenehm, dass ich alles schon vor Beginn des Semesters durchgeplant hatte. Ich fand es auch ziemlich interessant in den Statistiken meiner Homepage zu lesen, wie aktiv die Lektionen aufgenommen wurden. Hier konnte ich richtig sehen, wie schnell die Challenge-Mails gelesen und die Links darin angeklickt wurden. Am schönsten aber war es für mich zu sehen, wie sehr die Studentinnen sich von den digitalen Methoden begeistern ließen. Trotz technischer Schwierigkeiten haben wir uns oft gemeinsam an einem Tool festgebissen und uns wirklich der Herausforderung gestellt. Ich selbst werde also auf jeden Fall weiterhin Challenges anbieten, so viel steht fest!

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