Zitieren – der totale Horror?
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Wenn du noch am Anfang deines Studiums stehst, kann ich dich jetzt schon einmal beruhigen: Es kommt der Tag, an dem korrektes Zitieren dir tatsächlich in Fleisch und Blut übergegangen sein wird! Dann wirst du dich fragen, was zum Kuckuck du jemals daran schwierig gefunden hast. Aber es könnte unter Umständen ein wenig dauern bis dieser Tag da ist. Denn wie das wissenschaftliche Schreiben überhaupt, braucht auch das korrekte Zitieren einfach etwas Übung. Und beim Üben können dir diese Tipps etwas helfen.
Was bedeutet „zitieren“ und warum ist das wichtig?
In der Wissenschaft geht es darum, zu Erkenntnissen zu kommen, die als gesichert angenommen werden können. Dazu braucht man Belege und Beweise. Anders als z.B. im Journalismus, in dem Quellen geschützt werden können, muss in der Wissenschaft immer der Ursprung einer Aussage klar sein. Es muss auch klar sein, ob diese Aussage sich auf Beobachtungen stützt oder auf die Studien anderer. Das ist wichtig, denn es gibt für wissenschaftliche Arbeiten bestimmte Qualitätskriterien, an die man sich halten sollte. Je nach Wissenschaftsdisziplin und Art der Forschungsmethodik (Empirie, Hermeneutik, Dialektik, Phänomenologie, …) sind mal die einen mal die anderen Kriterien bedeutsamer. In Einführungen zum wissenschaftlichen Arbeiten werden mal nur drei (Brunner et al., 2015) und mal zehn (Wytrzens et al., 2014) genannt. Für das Verständnis der Bedeutung des Zitierens sind die folgenden fünf zentral.
5 Qualitätskriterien für wissenschaftliche Texte
Objektivität, also Unabhängigkeit vom Einzelforscher, wird auch als Intersubjektivität bezeichnet (Wytrzens et al., 2014). Ein etwas umstrittenes Kriterium, zumindest für nicht-Naturwissenschaften, da hier im Grunde nicht erreichbar (Brunner et al., 2015). Bemühen sollte man sich trotzdem darum.
Reliabilität, also Verlässlichkeit (Wytrzens et al., 2014). Hier wird dann nicht nur wichtig, dass man zitiert, sondern auch welche Quellen. Natürlich ist es am besten, wenn Quellen für wissenschaftliche Arbeiten selbst auch die Gütekriterien erfüllen.
Validität, also Gültigkeit der Schlussfolgerungen (Wytrzens et al., 2014). Wichtig ist natürlich, dass das, was man in seinen Studien herausfindet, auch stimmt bzw. stimmig ist.
Überprüfbarkeit (Wytrzens et al., 2014), wird durch Offenlegung aller verwendeter Primär- und Sekundärquellen erreicht. In den digitalen Geisteswissenschaften bekommt dieses Kriterium eine besondere Bedeutung, da hier auch auf Basis des Forschungsgegenstandes erstelltes Datenmaterial also z.B. Zahlenwerte von Textkorpora zugänglich gemacht werden sollten. Forschungsdatenmanagement wird hier darum zunehmend wichtig (Fischer and Binnewitt, 2019).
Nachvollziehbarkeit (Wytrzens et al., 2014), also eine gute Dokumentation der Analysen, in der offen gelegt wird, welche Methoden in welcher Weise angewendet werden, um zu den Schlusserkenntnissen zu kommen.
Allen diesen Gütekriterien kann man ein ganzes Stück näher kommen, wenn man korrekt zitiert. Das heißt also das du dadurch auch die Qualität deines eigenen Textes erhöhen kannst.
Top 5 Fehler bei Zitieren
Und da man ja aus Fehlern lernen kann, selbst wenn andere sie gemacht haben, kommen hier meine Top fünf der Fehler beim Zitieren (die ich natürlich alle in meinem eigenen Lernprozess für dich erprobt habe):
1. Erst schreiben, dann Zitat einfügen
Bringt dich in absolute Horrorsituationen. Wenn du erst liest, dann schreibst und dann Tage später das Zitat einfügen willst, von dem du dir total sicher bist, dass du es in Kapitel 3 auf einer rechten Seite ganz unten in deiner Quelle gelesen hast, dann ist dir eine mittelschwere Hausarbeits-Krise so gut wie sicher. Denn sie stehen einfach nie, NIE da, wo du sie vermutet hattest.
2. Keine Zitiersoftware nutzen
Mal ehrlich, damit schneidet man sich sowas von selbst ins Bein. Ich lese heute noch auf Twitter von Leuten, die einen ganzen Tag zum Perfektionieren ihrer Zitate reservieren. Diese Zeit ist sowas von verschenkt, denn mit Citavi oder Zotero kannst du nebenbei sowohl Textbelege als auch Literaturverzeichnis im einheitlichen Zitierstil deiner Wahl anlegen. Extra-Zeit für Perfektionierung am Ende: 0 Stunden. Und ja, ich selbst bin da auch durch, denn ich habe erst im M.A. Studium davon erfahren, dass es solche Software überhaupt gibt…
3. Erst deinen Text schreiben und ihn dann mit Zitaten “ausschmücken”
Jaja, ich weiß, vor allem zu Beginn des Studiums kann man schonmal der Meinung sein, Zitate seien nur schmückendes Beiwerk, das so gewählt sein sollte, dass es die eigene Meinung stützt. Aber leider wird nur anders herum ein Schuh draus. Deine Hypothesen werden sich erst dann in luftige Höhen aufschwingen, wenn du sie auf die bisherige Forschung aufbaust. Und manch ein bahnbrechender Gedanke wurde eben doch auch schon von anderen gedacht und ist gar nicht mehr so neu. Es führt also kein Weg daran vorbei, erst zu lesen, denn wie um Himmels willen sollte man wissen, ob ein Gedanke neu ist, wenn man nicht weiß, was bisher gedacht wurde?
4. Denken, man müsse alle wichtigen Zitierstile auswendig kennen
Muss man nicht! Wenn du einen konsequent beherrscht, ist das gut. Wenn deine Profs andere haben wollen, stelle diese einfach in deiner Zitiersoftware ein – fertig.
5. Denken du müsstest ad hoc korrekt zitieren können
Da korrektes Zitieren, wie anfangs schon erwähnt, eine reine Übungssache ist, wird es einen Lernprozess geben, der evtl. etwas Zeit in Anspruch nimmt. Sei also nicht ungeduldig. Es kommt der Tag…
Aber ich habe dir versprochen, dir nicht nur zu sagen, warum du zitieren können musst, und was für Fehler dabei passieren können, sondern vor allem auch, wie du das machst. Also, los geht’s!
Schritt 1 – der Textbeleg
Es gibt zwei Komponenten beim Zitieren – den Textbeleg und die Angabe der verwendeten Quelle im Literaturverzeichnis. Hier kümmern wir uns um beide einzeln, aber in Wahrheit sind sie natürlich eine Einheit. Darum empfehle ich dir auch, immer gleich wenn du einen Textbeleg einfügst auch die entsprechende Referenz ins Literaturverzeichnis zu setzen. Erspart dir viel Mühe am Ende und sorgt vor allem dafür, dass du keine Literaturangabe vergisst.
Quellen im Text nennen
Da du ja in einem wissenschaftlichen Text jede Aussage belegen musst, entweder durch eigene Beobachtungen oder durch Referenzen zu anderen Theoretikern, musst du immer dann eine Quelle nennen, wenn du etwas behauptest, dass du weder selbst in deiner Analyse herausfindest noch aus den Aussagen deiner Vordenker schlussfolgerst. Nun ist der wissenschaftliche Text ja eine Textsorte, die für eine ganz bestimmte Zielgruppe geschrieben wird, nämlich vor allem die Forscher-Kolleg*innen des eigenen Fachbereichs. Diese müssen, wie oben bei den Gütekriterien schon erwähnt, deine Argumentation nachvollziehen können. Dazu ist es wichtig, dass sie beim Lesen sofort einschätzen können, welches Begriffsverständnis du vertrittst, welche Methodik du nutzt und in welche Forschungstradition du dich damit einreihst. So können sie nämlich deine Schlussfolgerungen überprüfen.
Was muss in die Referenzen?
Dazu brauchen sie zunächst einmal drei Infos und zwar, auf wessen Ausführungen du dich beziehst, wann diese gemacht wurden und ob du bestimmte Gedanken genau übernimmst oder eher einen Ansatz zusammen fasst. Im zweiten Schritt brauchen sie dann zur Prüfung der Validität deiner Ausführungen auch die Angabe der genauen Seitenzahl (und natürlich brauchen sie die Angaben zum Buch, Aufsatz, Magazin, Blogartikel oder zur sonstigen Veröffentlichung, die du genutzt hast – aber dazu später mehr). Zunächst einmal fügst du in deinen Text also nur das Nötigste ein: Name, Jahr, Seitenzahl und für eine Zusammenfassung (Paraphrase) ein „vgl.“. Je nachdem, in welcher Form du zitierst, wie umfassend deine Referenz ist und wo deine Referenz steht, kannst du vier Arten von Textbelegen nutzen.
4 Arten von Textbelegen
- Das direkte Zitat – wohl die einfachste Form des Zitierens. Du tippst einfach eine Passage ab, setzt sie in Anführungszeichen und schreibst dahinter wer sie wann und auf welcher Seite niedergeschrieben hat. Lass‘ dich hier nicht von dem Trugschluss hinreißen, mit einem direkten Zitat könntest du der Lehrperson nicht ausreichend beweisen, wie gut du das Referenzieren beherrscht (#gotyou!?), sondern versuche umzudenken. Statt eine Hausarbeit in dem Bewusstsein zu schreiben, dass es eine Prüfungsleistung ist, solltest du sie lieber als gute Dokumentation deiner wissenschaftlichen Arbeit begreifen. Und darin kann ein direktes Zitat genauso wertvoll sein wie eine Paraphrase.
- Der Textbeleg im Satz – hier gibt es wieder zwei Formen. Entweder du sagst direkt im Satz, auf wen du dich beziehst und setzt dann nur noch einen Verweis dazu, wann und wo das geschrieben wurde bzw. steht. Ein Beispiel hierfür wäre „Foucault ging hingegen der Frage nach, was überhaupt ein Autor sei (1969: passim)“ (übrigens: „passim“ steht für „im gesamten Text“, beziehst du dich auf eine konkretere Textstelle stünde dort natürlich die Seitenzahl). Möglichkeit zwei ist, dass du in einem Teil eines Satzes einen Gedanken von jemand anderem zusammenfasst und diesen dann durch einen eigenen oder einen von noch wieder jemand anderem ergänzt. Ein Beispiel hierfür wäre: „Ein Autor kann also sowohl als multiples Ego (vgl. Foucault 1969: Seitenzahl) oder als durchlässige Instanz betrachtet werden, die einer Vielzahl äußerer Einflüsse ausgesetzt ist, die sich ihren Weg in den Text bahnen (vgl. Barthes 1968: Seitenzahl)“.
- Der Textbeleg am Satzende – beziehst du dich im gesamten Satz nur auf eine Quelle, so muss dein Textbeleg am Satzende stehen und zwar noch vor dem Punkt. Beispiel: „In manchen Textpassagen sei nicht eindeutig, wer spricht (vgl. Barthes 1968: Seitenzahl)“.
- Der Textbeleg am Absatzende – Wenn du dich in einem kompletten Absatz auf eine Quelle beziehst, so kannst du die Referenz am Ende dieses Absatzes einfügen und zwar nach dem Punkt. Dadurch wird deutlich, dass das gesamte, über mehrere Sätze entwickelte Argument nicht von dir stammt. Zumindest ist so die Theorie. Da es oft sehr schwierig ist, einen ganzen Absatz lang zu paraphrasieren ohne entweder etwas Eigenes oder den Gedanken eines Dritten mit einzubringen, würde ich dir für den Anfang von dieser Zitierweise abraten. Überlege besser satzgenau, von wem der zentrale Gedanke ursprünglich stammt. Beziehst du dich zwei Mal oder öfter hintereinander auf eine Quelle, so kopiere deine Referenz einfach oder arbeite mit „ebd.“ (steht für Ebenda).
Schritt 2 – das Literaturverzeichnis
Ich habe ja oben schon geschrieben, dass ich dir dazu rate das Literaturverzeichnis gleich während des Schreibens und Zitierens nach und nach zu erstellen. Also immer, wenn du eine Referenz zu einer neuen Quelle einfügst, ergänzt du diese auch im Literaturverzeichnis. Im Idealfall nutzt du ja eine Software wie Citavi oder Zotero, die dir beim Zitieren hilft. Da kannst du einfach alle Infos zu deiner Quelle eingeben und dir dann den Eintrag für dein Literaturverzeichnis nach deiner bevorzugten (oder der der Lehrperson) Zitierweise anzeigen lassen. Dann kannst du das Ganze per Copy/Paste in dein Literaturverzeichnis einfügen – fertig!
Der Zitierstil legt die Formatierungen fest
Nutzt du keine solche Software, so bleibt eines am Ende deiner Arbeit nicht aus: Das Putzen deines Literaturverzeichnisses. Der Vorteil dabei ist, dass du den Zitierstil in- und auswendig lernst. Der Nachteil ist, dass, bevor es soweit ist, sich höchstwahrscheinlich Fehler einschleichen werden. Naja, und es kostet Zeit, die du mit anderen Dingen verbringen könntest. Denn ein Zitierstil gibt nicht nur vor, wie die Verweise im Text aussehen sollen, sondern auch, wie die Literaturangaben formatiert werden müssen.
Jede Publikationsform bekommt ein eigenes Format
Also gehört auch dazu, dass hier etwas kursiv sein oder dort etwas in Anführungsstrichen stehen soll. Einmal steht das Datum vorne, bei einem anderen Stil fast ganz hinten. Bei einer Monografie sieht das Ganze anders aus als bei einem Sammelband und wieder anders bei einer Zeitschrift. Und was ist mit Blogs oder gar Tweets? Fragen, die du entweder recherchieren oder in no time von einem Programm beantworten lassen kannst. Denn es versteht sich von selbst, dass dein Literaturverzeichnis natürlich korrekt sein muss.
Und was ist mit Fußnoten
Fußnoten sind manchmal Teil des Zitierstils. Dann werden Textbelege nicht in Klammern gesetzt. Stattdessen kommt in den Text nur eine Fußnote und unten auf die Seite dann der Beleg. Der Vorteil ist, dass der Lesefluss nicht gestört wird. Der Nachteil ist, dass nicht zwingend beim Lesen sofort erfasst wird, auf wen sich der Autor oder die Autorin bezieht. Denn Fußnoten kann man leider beim Lesen auch leicht ausblenden. Außerdem sind Fußnoten eben auch dazu da, weiterführende Ideen anzudeuten, Begriffsverwendungen zu klären oder sonstwie inhaltlich Signifikantes zu erwähnen, das über eine Referenz hinaus geht. Darum mag ich Zitierstile lieber, die keine Fußnotenverweise nutzen, aber das ist Geschmackssache.
Übrigens gibt es auch noch die Möglichkeit, in Endnoten zu zitieren. Dann bekommt jede Referenz eine eigene Nummer und am Ende des Artikels oder Kapitels werden dann die Nummern aufgeschlüsselt. Vorteil ist, dass hier die Referenz direkt mit der Literaturangabe verknüpft wird. Der Nachteil ist, dass man beim Lesen immer hin- und herblättern muss.
Die Quellen im Blick behalten
Das Schwierigste beim Zitieren ist eigentlich, die eigenen Quellen immer im Blick zu behalten. Am besten kennt man sich darin so gut aus, dass man bei einem Gedanken schon weiß, von wem er stammen muss. Bei 3-6 Hausarbeiten, die man in einem Semester zu unterschiedlichen Themen schreiben muss, kommt man aber kaum jemals so tief in die Quellen hinein. Darum ist es wichtig, direkt beim Exerpieren, also immer dann, wenn man sich etwas aus einer Quelle notiert, direkt die Quelle dazu zu schreiben.
Nutzt du z.B. Citavi so wirst du dazu schon durch das Programm gezwungen, denn jeder Notiz zu einer Quelle setzt du hier auch gleich einen Vermerk über die Seitenzahl hinzu. Bei Zotero ist das leider nicht so. Darum empfehle ich hier einfach immer selbst in Klammern hinter eine Notiz zu setzen, auf welche Seitenzahl(en) sie sich bezieht. Das gleiche gilt natürlich für handschriftliche Notizen. Einfach immer direkt festhalten, wie der Beleg aussehen sollte, den du einfügen musst, um dich darauf zu beziehen. Diese Arbeitsweise übt und ermöglicht dir, den Überblick zu behalten.
Keine Angst, es kommt der Tag…
Puh, ich weiß das klingt erstmal viel und allein darum vielleicht schon etwas überfordernd. Aber ich habe dir ja anfangs schon versprochen, dass der Tag kommen wird, an dem dir das Zitieren in Fleisch und Blut übergegangen sein wird. Erlaube dir ruhig einen Lernprozess und mache Fehler, denn das übt. Tu dich am besten mit Kommiliton*innen zusammen und schaut gegenseitig über eure Literaturverzeichnisse und Verweise. Dabei lernst du, worauf du achten musst (also sowohl beim Korrekturlesen der Texte deines Teams als auch beim Korrigieren deines Textes) und eure Literaturverzeichnisse sind dann alle tiptop. Und irgendwann wirst du dich fragen, wie Leute aus anderen Sparten eigentlich zurechtkommen, ohne ständig zu erwähnen, wo ihre Gedanken so ihren Ursprung haben!
Bibliografie
- Brunner, H. et al. (2015) Leitfaden zur Bachelor- und Masterarbeit: Einführung in wissenschaftliches Arbeiten und berufsfeldbezogenes Forschen an Hochschulen und Universitäten. Tectum Wissenschaftsverlag.
- Fischer, A. and Binnewitt, J. (2019) Forschungsdatenmanagement in den Geisteswissenschaften: Entwurfsmodelle und Infrastruktur, Digital Humanties Cologne. Available at: https://dhc.hypotheses.org/1140 (Accessed: 24 May 2020).
- Wytrzens, H. K. et al. (2014) Wissenschaftliches Arbeiten: Eine Einführung. Facultas Verlags- und Buchhandels AG.