Gruppenarbeiten mit dem richtigen Mindset sinnvoll gestalten
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Gerade neulich habe ich mal wieder auf Twitter gelesen, dass jemand der Meinung war, Gruppenarbeiten seien absolut nicht sinnvoll. Und, um ganz offen zu sein, ich habe selbst sehr lange dasselbe gedacht: Allein kommt man mit seinen Arbeiten doch viel schneller voran! Tatsächlich ist man allein ja zeitlich nicht auf andere angewiesen. Aber zusammen kommt man am Ende einfach weiter. Aber eben nur, wenn man zusammen arbeitet und nicht parallel nebeneinander her. Wie du mit Hilfe von ein wenig Umdenken, von gemeinsamer Einzelarbeit zu einer wirklich sinnvollen Form der Gruppenarbeit kommst, das möchte ich dir heute verraten.
Warum Gruppenarbeiten sinnvoll sind
In den Geisteswissenschaften ist es eigentlich noch nicht unbedingt üblich, gemeinsam mit anderen Texte zu publizieren, aber in den Digital HumanitiesAuch als digitale Geisteswissenschaften bezeichnet. Ein Forschungsfeld, in dem vielfältige digitale Methoden eingesetzt werden, um geisteswissenschaftliche Projekte zu bereichern. Das können z.B. Computerprogramme zur Textanalyse sein oder Software, mit der digitale Editionen zugänglich gemacht werden. Zum Feld der digitalen Geisteswissenschaften kann auch die Beschäftigung mit Phänomenen der Digitalisierung und die digitale Wissenschaftskommunikation gezählt werden. More ist kaum etwas anderes möglich. Der Grund dafür ist einfach. Für ein Digital-Humanities-Projekt braucht man immer mindestens zwei Perspektiven, zum Beispiel eine technische und eine geisteswissenschaftliche. Denn diese Forschungsrichtung ist ja schon von Grund auf interdisziplinär ausgerichtet. Was man davon für die eher traditionellen Geisteswissenschaften lernen kann, ist, dass es für beide Seiten sehr sinnvoll sein kann, die Perspektive des anderen auf den eigenen Gegenstand kennenzulernen. Denn es regt einen selber an, mal etwas umzudenken und eine andere Denkweise anzunehmen. Das kann sehr lehrreich und erkenntnisbringend sein, ohne das man dabei das Gefühl hat, von außen belehrt zu werden. Man bringt sich halt einfach gegenseitig weiter. Herrlich!
Es gibt aber noch einen Grund, warum du lernen solltest, Gruppenarbeiten sinnvoll zu gestalten. Denn vielleicht möchtest du ja nach deinem Studium gar nicht in der geisteswissenschaftlichen Forschung bleiben. Ob nun als Mitarbeiter*in einer Kulturinstitution, als Journalist*in in einer Redaktion oder als Lehrer*in, es wird dir in den meisten Berufsfeldern von Nutzen sein, wenn du ein guter Teamplayer bist. Also, warum nicht schon während deines Studiums daran arbeiten?
Zwei Arten von Gruppenarbeiten
Nun haben wir aber im Studium das Problem, dass wir unsere Arbeiten meistens nicht aus Eigeninteresse angehen, sondern als Prüfungsleistungen erstellen. Das heißt, dass unser*e Prüfer*in wissen muss, wer was gemacht hat. Dieses System unterstützt natürlich unsere Tendenz zu paralleler Einzelarbeit. Zum Glück gibt es aber (mindestens) zwei Arten von Gruppenarbeiten. Neben der gemeinsamen Hausarbeit als Prüfungsleistung gibt es ja oft auch noch unbenotete Projektarbeiten während des Seminars oder Studienleistungen. Hier kannst du deine Teamfähigkeit trainieren.
3 Änderungen deines Mindsets in Bezug auf Gruppenarbeiten
Um aus deinen Gruppenarbeiten das Maximum für alle herauszuholen, musst du ein wenig an deinem Mindset arbeiten. Denn statt wie in der Schule danach zu streben, ständig zu zeigen, was du kannst, geht es nun darum, an die gemeinsame Sache zu denken. Aber keine Sorge, da so eine gemeinsame Sache etwas ziemlich Feines ist, wird dir das Umdenken leicht gelingen.
Denke in Projekten, nicht in Texten/Präsentationen
Vor allem in den Geisteswissenschaften sind wir total textorientiert. Die Klausur, das Arbeitspapier, die Hausarbeit – Viele unserer Aufgaben haben eine schriftliche Textform. Darum lassen wir uns auch leicht dazu hinreißen, in Texten zu denken. Recherche, Analyse, Formatierung, Gestaltung – alles nur mehr oder weniger lästiges Beiwerk zur Erstellung des eigentlichen Dings, des Textes? Nein, alles zusammen bildet ein Projekt, dessen Bestandteile gemeinsam wirken. Für Gruppenarbeiten heißt das auch, dass nicht jede*r zwingend Text produzieren muss. Liegt dir also etwas Anderes mehr, kannst du dich auch damit einbringen. Was zählt, ist am Ende das gemeinsame Projekt!
(Etwas anderes sind hier natürlich wieder gemeinsam eingereichte Prüfungsleistungen. Hier müssen meist tatsächlich alle Beteiligten einen etwa gleich großen Anteil Text produziert haben.)
Denke nicht darüber nach, wie du besonders viel lernen kannst, sondern, wie du besonders viel von deiner Kompetenz einbringen kannst
Im Sommer 2019 habe ich an einem Kultur-Hackathon teilgenommen und eines der für mich wichtigsten Learnings daraus war, dass man bei Gruppenarbeiten in kurzer Zeit richtig, richtig weit kommen kann, wenn jede*r das macht, was sie oder er am besten kann. Ich war dorthin gegangen mit der Einstellung, dass ich dort sicher richtig viel von anderen lernen könne. Aber da wir für unsere Projektideen und Skizzen nur zwei Tage Zeit hatten, ging das gar nicht. Statt dessen stand die Frage im Zentrum, wovon jede*r am meisten versteht und das wurde dann umgesetzt. Gelernt habe ich trotzdem viel, nur ohne etwas davon zu merken.
Falls du dich jetzt fragst, was du schon groß an Kompetenzen vorzuweisen hast, da du doch noch mitten im Studium bist, musst du vielleicht die Frage noch einmal umformulieren. Was machst du am liebsten? Schreiben? Lesen? Analysieren? Logisch denken? Grafikkonzepte entwickeln? Bloggst du vielleicht oder kannst programmieren? Bist du auf YouTube, machst coole Instagram-Challenges oder hast einen PodcastDer Podcast ist ein auditives Veröffentlichungsformat. Podcasts entwickelten sich mit der Einführung von iPods und der Möglichkeit, die Plattform iTunes auch zur Veröffentlichung eigener audio-Formate zu nutzen. Podcasts erfreuen sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmender Beliebtheit und werden zum Teil auch zur Wissenschaftskommunikation eingesetzt. Im Gegensatz zum Vlog (Video-Blog) haben Podcasts keine visuelle Komponente, können aber trotzdem zum Teil auch über die Video-Plattform YouTube gehört werden. Die Sound-Dateien in den Lebe-lieber-literarisch-Blogartikeln stammen aus dem gleichnamigen Podcast, der auch unabhängig von diesem Blog auf iTunes, Spotify oder anderen Podcast-Plattformen gehört werden kann. Kurze Podcast-Folge zum Podcast-Begriff: https://hnp9zs.podcaster.de/download/Podcast_Buchtipp_Dora_und_der_Minotaurus_final.mp3 More? Viele Dozent*innen und Profs nutzen Gruppenarbeiten auch, um mal Formate auszutesten, die sonst selten im Zentrum der universitären Lehre stehen, also geh hier ruhig mit und trau dich, mal etwas anderes zu machen.
Übernimm Verantwortung für das Ganze Projekt, nicht nur für deinen Teil
Kennst du das Gefühl, dass du in Gruppenarbeiten ständig die anderen mitziehen musst? Oder hast du oft das Gefühl, dass andere die Gruppenarbeit an sich und damit dir aus der Hand reißen? Nun, dann lass dir gesagt sein, dass, wenn jede*r Verantwortung für das ganze Projekt übernimmt und nicht nur für einen kleinen Teil, am Ende alle davon profitieren. Das heißt zwar auch, dass es nicht reicht, deinen eigenen Textbaustein abzuliefern und dann die Füße hochzulegen. Am Ende wirst du aber viel mehr von dir in so einem Projekt verwirklichen können. Und nur so eine gleichberechtigte Teamarbeit auf Augenhöhe wird dazu führen, dass ihr nicht nur euer eigenes Wissen reproduziert, sondern auch von den anderen lernt. Und zwar ganz ohne zu merken, dass es lernen ist.
Mögliche Gestaltung (geisteswissenschaftlicher) Gruppenarbeiten
Nun weißt du, wo die Reise hingehen soll, aber das eigentliche Umdenken, ist natürlich ein Prozess. Und um diesen so richtig anzukurbeln, möchte ich dir hier noch kurz berichten, wie gewinnbringende Gruppenarbeiten in den Geisteswissenschaften denn nun eigentlich aussehen können.
1. Gegenstands-/Korpus-Orientierung: Unterschiedliche Perspektiven, ein Gegenstand
Wenn ihr euch zu mehreren einen Text oder eine Sammlung von Texten anschaut, könnt ihr das aus mehreren Perspektiven tun. Bedenkt dabei euren Mindset-Shift: Jede*r sollte die Perspektive wählen, die ihr oder ihm am meisten liegt. Das kann so aussehen, dass einer sich Genderstereotype in einem Textkorpus und der andere sich Emotionen anschaut, die damit verbunden sind. So machen wir das ja, wie du vielleicht schon weißt im Projekt m*w, das ich gemeinsam mit meiner Kollegin Marie Flüh ins Leben gerufen habe.
2. Perspektivorientierung: Eine Perspektive in mehreren Gegenständen
Eine zweite Möglichkeit, die sich vor allem für Prüfungsleistungen in gemeinsamen Seminaren eignet, ist, sich aus einer Perspektive, z.B. der gendertheoretischen mehrere Gegenstände anzuschauen. Z. B. könnte man sich so Romane und ihre Verfilmungen anschauen oder mehrere Romane aus einer Epoche mit solchen aus einer anderen vergleichen. Wichtig ist natürlich auch die sinnvolle Zusammenführung und die Reflexion des vergleichenden Ansatzes.
3. Meta-Orientierung: Eine Perspektive, ein Gegenstand, mehrere Interpreten
Wie interpretieren wir eigentlich? Und ist es schaffbar, standardisierte Verfahren in den Literaturwissenschaften zu entwickeln? Oder anders ausgedrückt: Ist es nicht immer so, dass unterschiedliche Interpreten mit denselben Theorien und denselben Forschungsgegenständen immer zu unterschiedlichen Deutungen kommen müssen? Diese berechtigte Annahme könnt ihr mal empirisch erforschen, indem ihr einen Selbsttest macht. Sucht euch eine Theorie, entwickelt Analysekategorien und erprobt diese mit Hilfe von digitaler Annotation an einem literarischen Text. Wo seid ihr euch einig und was unterscheidet euch und warum? Diese Fragen sind ein spannender Ausgangspunkt für eine Gruppenarbeit.
Gruppenarbeiten sinnvoll angehen
Nun weißt du, wie du über Gruppenarbeiten denken solltest und was du mit deiner Gruppe thematisch angehen könntest. Lass uns jetzt noch eine Spur konkreter werden und klären, wie deine Gruppenarbeit aufgebaut sein kann. Denn so kann es gelingen, dass sie für alle Beteiligten sinnvoll und gewinnbringend wird.
Phase 1: Brainstorming
Hier könnt ihr nach den Sternen greifen und euch fragen, was ihr gern machen würdet, wenn ihr alle Zeit und alle Fähigkeiten hättet, die man dazu bräuchte.
Phase 2: Recherche
Jetzt wird es konkret: Was gibt es zu eurem Thema schon, wo könnt ihr anknüpfen, was könnt ihr realistischer Weise umsetzen? Teilt euch die Recherche auf und sprecht danach über eure Ergebnisse und entwickelt einen gemeinsamen Plan.
Phase 3: Umsetzen
Wenn ihr ein Schreibprojekt macht, kann es jetzt mit dem ersten Textentwurf losgehen. Wenn ihr andere Umsetzungsideen habt, einen PodcastDer Podcast ist ein auditives Veröffentlichungsformat. Podcasts entwickelten sich mit der Einführung von iPods und der Möglichkeit, die Plattform iTunes auch zur Veröffentlichung eigener audio-Formate zu nutzen. Podcasts erfreuen sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmender Beliebtheit und werden zum Teil auch zur Wissenschaftskommunikation eingesetzt. Im Gegensatz zum Vlog (Video-Blog) haben Podcasts keine visuelle Komponente, können aber trotzdem zum Teil auch über die Video-Plattform YouTube gehört werden. Die Sound-Dateien in den Lebe-lieber-literarisch-Blogartikeln stammen aus dem gleichnamigen Podcast, der auch unabhängig von diesem Blog auf iTunes, Spotify oder anderen Podcast-Plattformen gehört werden kann. Kurze Podcast-Folge zum Podcast-Begriff: https://hnp9zs.podcaster.de/download/Podcast_Buchtipp_Dora_und_der_Minotaurus_final.mp3 More, eine Präsentation oder ein Video z.B. macht ihr ebenfalls jetzt Entwürfe. Wichtig: Betrachtet diese ersten Ansätze wirklich als Entwürfe, an denen ihr arbeiten könnt und besprecht sie auch untereinander so. Mit leeren Seiten kann man sich nur theoretisch auseinander setzen. Ihr braucht aber erst einmal einen Anfang, um überhaupt rauszufinden, was ihr wollt.
Phase 4: Lesen und kommentieren
Darum müssen die Entwürfe auch nach Herzenslust kommentiert und diskutiert werden können. Es bedarf dabei etwas Übung, denn man muss seine Eitelkeit zu Hause lassen, wenn man wirklich daran interessiert ist, das Bestmögliche zu erreichen. In einer Gruppe, die gut funktioniert muss nämlich jeder offen sagen können, was sie oder ihn begeistert und was noch nicht optimal ist. Auch wichtig ist aber, dabei mehr als fair zu bleiben und sehr sensibel vorzugehen. Denn jede*r hängt am eigenen Produkt. Ob das nun ein Text, eine Folie oder ein Film ist.
Phase 5: Verdichten
So und jetzt alles um 1/3 kürzen! Das ist immer eine Hiobsbotschaft am Ende einer Arbeit, die dir vielleicht schon optimal erscheint. Aber ich sage dir: vor allem Texte profitieren enorm von Kürzungen. Oft kannst du sie nämlich verdichten. Schau genau, wo etwas doppelt vorkommt, wo Formulierungen präziser sein können und dadurch andere überflüssig machen. Lasse Dinge weg, die zum Verständnis nicht unbedingt nötig sind. Und wenn du damit durch bist: Kill your Darlings! Ja, richtig gelesen, irgendwann kommt man meist nur noch weiter, indem man ganze Absätze oder Kapitel löscht, die einem zwar am Herzen liegen, die aber dein Thema eigentlich bloß unnötig in die Länge ziehen.
Phase 6: Erneut lesen und kommentieren
Wenn du selbst nicht mehr weiter kommst, müssen die anderen ran. Der Blick von außen auf einen nicht-eigenen Text kann nämlich auch noch einmal einen ordentlichen Verbesserungsschub bringen.
Phase 7: Korrektur und Einreichung
Jetzt ist es fast geschafft. Am Ende müssen alle nochmal alles komplett durchgehen. Wenn jeder voll hinter dem Ergebnis steht, habt ihr alles richtig gemacht und es kann raus. Egal, wie eure Arbeit nun bewertet werden wird, wenn sie überhaupt bewertet werden soll, ihr werdet auf jeden Fall das Maximum an eigenem Lernerfolg herausgeholt haben!
Vom Gruppenarbeitsmuffel zum Teamplayer
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie viele solcher idealtypischen Gruppenarbeiten ich wohl während meines eigenen Studiums erlebt habe und darum sage ich es dir einfach. Nicht eine einzige! Im Gegenteil. Ich fand Gruppenarbeiten meist ebenso lästig und überflüssig wie derjenige, dessen Äußerung ich neulich auf Twitter entdeckt habe. Wie viel Spaß es machen kann und wie viel man lernt, wenn man auf diese Weise mit einem tollen Team arbeitet, habe ich erst erfahren als ich angefangen habe, in Uni-Projekten zu arbeiten. Gemeinsame Analysen, gemeinsame Artikel und gemeinsame Vorträge – eigentlich alles mache ich inzwischen weitaus lieber im Team. Und da ich wünschte, diese Erfahrung schon eher gemacht zu haben, schreibe ich heute diesen Artikel für dich. Wenn der ein oder andere Tipp daraus dich ein Stückchen weiter vom Gruppenarbeitsmuffel zum Teamplayer bringt, wird mich das riesig freuen!