Husch Josten „Fragen Sie nach Fritz“ – eine wunderbare Anthologie
Mai 7, 2013
Es ist schon wieder passiert. Ein kleiner Verlag, den ich bisher noch nicht kannte, bot mir eine Kurzgeschichtensammlung zur Rezension an. Ich war äußerst skeptisch und gefangen in dem Glauben, keine Kurzgeschichten zu mögen. Aus Neugier gegenüber diesem Verlag und der Autorin mit dem bemerkenswerten Vornamen Husch sagte ich zu. Und ich wurde tatsächlich von den Socken gerissen. Das war der Anfang einer wunderbaren Freundschaft zwischen mir und dem Büchlein von Husch Josten „Fragen Sie nach Fritz“, verlegt von der Berlin University Press.
Wenn eine Geschichte mit P.S. anfängt…
…kann sie eigentlich nur gelingen. Habt ihr einmal beobachtet, was ihr so in P.S.s hineinschreibt? Bei mir steht im P.S. meistens das, was mein eigentliches Anliegen ist, was ich aber nicht als solches verstanden wissen möchte. Also etwas, dessen emotionale Wichtigkeit ich im Verborgenen halten will und das ich doch nicht für mich behalten kann. Wenn eine Autorin so viel Einfühlungsvermögen hat, dass sie um dieses zwiespältige Dasein der P.S.s weiß, dann muss sie geradezu zwingend eine herausragende Autorin sein. Husch Josten ist es auf jeden Fall. Denn natürlich eröffnet dieses P.S. eine sehr psychologisch erzählte Geschichte. Sie handelt von einem Vater, der sein Kind verlässt. Außerdem von einer besten Freundin, die dadurch einen Vaterersatz verliert. Und schließlich von Motiven, die von allen falsch verstanden werden. Es ist eine Geschichte davon, dass wir Menschen, die wir lieben nicht nach dem beurteilen, was wir von ihnen wissen. Statt dessen stellen wir Vermutungen von Dingen an, die wir nicht wissen. Es ist eine Geschichte, die so reich an Emotionen ist, dass man versucht ist, zu sagen, dass sie zeigt, was die Welt eines Menschen im Innersten zusammenhält.Was in der Anthologie von Husch Josten „Fragen Sie nach Fritz“ alles nicht gesagt wird
Wie in der Geschichte von Fritz geht es in Husch Jostens Geschichten eigentlich immer um das Unausgesprochene. In 10 Geschichten erzählt sie auf nur 115 Seiten von kuriosen Situationen, in die Menschen sich begeben oder von anderen gestoßen werden. Nie ist etwas so, wie es auf den ersten Blick scheint. Immer muss der Leser das, was er zuerst über eine Figur gedacht hat, überdenken. Und meistens liegt in dem, was nicht gesagt wird das, was die Figuren in Wahrheit antreibt. All das wird schnörkellos und klar geschildert, ohne Melancholie oder übertriebene Emotionalität. Die Emotionen – die scheint Husch Josten den Lesern zu überlassen. Und tatsächlich kommen psychologische und philosophische Gedanken beim Lesen wie von alleine. „Fragen sie nach Fritz“ ist ein Buch, das man an seine liebsten Freunde verschenken möchte. Denn man weiß, dass es sie ebenso berührt wie einen selbst. Es ist ein Buch, das man immer wieder lesen möchte – eben etwas ganz Besonderes. P.S. Die erste Kurzgeschichtensammlung, die ich so begeistert gelesen habe, war übrigens „Nach oben ist das Leben offen“ von Phillipp Schönthaler aus dem Matthes und Seitz Verlag. P.P.S. Das war jetzt ein ganz nüchternes, unemotionales P.S. – nicht so eines, wie das aus Husch Jostens Geschichte 😉Josten, Husch: Fragen Sie nach Fritz. Berlin University Press 2013. ISBN: 9783862800490. 19,90€.