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Populärwissenschaftliches Bloggen als Geisteswissenschaftlerin – 5 Gründe, warum das kein bisschen verrückt ist

Mal ganz offen zugegeben, populärwissenschaftliches Bloggen ist hier zu Lande in den meisten Geisteswissenschaften nicht weit verbreitet. Langsam, langsam etabliert sich das Blogportal Hypothesis.org/de, auf dem wissenschaftliche Blogs betrieben werden können. Noch ist es aber selbst in den digitalen Geisteswissenschaften nicht der Normalfall, dass Wissenschaftler auch bloggen. Die geisteswissenschaftlichen Blogs, die es gibt, sind in der Regel an die eigene Community gerichtet. Man bemüht sich sehr um die Wissenschaftlichkeit des Ganzen. Populärwissenschaftliches Schreiben ist auch insgesamt eher selten bei uns. Darum ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass mal ein Buch mit dem Titel „Darm mit Charme“ erscheint als eines wie „Wer bin ich und wenn ja wie viele“. Aber, wie das zweite Beispiel zeigt, gibt es durchaus Wissenschaftler, die sich auch mal an eine breitere Leserschaft wenden. Warum du – vor allem, wenn du Studentin oder Doktorandin der Literaturwissenschaft bist – unbedingt populärwissenschaftlich bloggen solltest, dafür nenne ich dir heute 5 Gründe.

Und natürlich kannst du dir auch den heutigen Artikel als Podcast anhören:

Was meine ich, wenn ich Populärwissenschaft sage und warum das gar nichts Negatives ist

Die Worte Populärwissenschaft und populärwissenschaftlich werden oft mit einem negativem Beigeschmack ausgesprochen oder gedacht und das hat in meinen Augen nur einen Grund. Sie werden mit Esoterik und esoterisch verwechselt. Letztere haben einfach mal so überhaupt nichts Wissenschaftliches an sich. Aufgrund dieser Verwechslung kann man schon fast verstehen, dass manche unter „populärwissenschaftlich“ so ungefähr das Gegenteil von „wissenschaftlich“ verstehen. Das ist natürlich nicht richtig, denn populärwissenschaftlich ist ein Text, in dem wissenschaftliche Themen so aufbereitet worden sind, dass sie allgemein verständlich sind. Meist werden sie auch in Verbindung zu gesellschaftlichen Themen gestellt. Oft erreichen sie eine größere Leserschaft als im wissenschaftlichen Schreibstil verfasste Texte. Sie haben das Potential populär, also in einer breiten Leserschaft beliebt zu werden. Klingt gar nicht mehr so negativ oder?

Populärwissenschaftliches Bloggen ist in den Geisteswissenschaften eher selten. Hier erfährt du 5 Gründe, warum du eine der ersten sein solltes, die damit anfangen!

Populärwissenschaftliches Bloggen und Schreiben in den Natur- und in den Geisteswissenschaften

Ich habe den Eindruck, dass es in den Naturwissenschaften bereits viel mehr wundervolle populärwissenschaftliche Texte, Blogs und sogar YouTube-Kanäle gibt. Mein Lieblingsbeispiel ist „MaiLab„, der YouTube Kanal von Mai Thi Nguyen-Kim. Ein wunderbarer Kanal, auf dem Themen aus dem Bereich Chemie erklärt und in Zusammenhang mit Aktuellem gebracht werden. Das Beispiel „Darm mit Charme“, ein Buch von der Ärztin Giulia Enders habe ich ja schon genannt. Der berühmte Physiker Stephen Hawkings hat eine ganze Reihe populärwissenschaftlicher Bücher geschrieben, das bekannteste darunter ist wahrscheinlich die „kurze Geschichte der Zeit“. Auch der Psychologe Oliver Sachs hat viele tolle und allgemein verständliche Bücher geschrieben. Dazu gehört z.B. „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“.

Populärwissenschaftliches Bloggen und Schreiben in den Geisteswissenschaften

Natürlich haben wir Geisteswissenschaftler auch ein paar tolle Autoren, die populäre Bücher verfasst haben. Den Philosophen Richard David Precht habe ich ja schon erwähnt („wer bin ich und wenn ja wie viele“). Natürlich kommt mir auch sofort Umberto Eco in den Sinn mit seiner „Geschichte der Schönheit“. Rüdiger Safranskis „Romantik“ und Peter André Alts „Ästhetik des Bösen“ sind zwei weitere wunderbare Beispiele. Aber, um ganz ehrlich zu sein, gelingt es diesen beiden schon weniger als den ersten Beispielen, Geisteswissenschaft und Gesellschaftliches miteinander zu verknüpfen. Die Frage, warum uns die Epoche der Romantik auch heute noch etwas angehen sollte bleibt z.B. unbeantwortet. Insgesamt ergibt sich bei der Sichtung populärwissenschaftlicher Texte ein eindeutiges Bild: Naturwissenschaften sind gesellschaftlich brisant und relevant (sogar die theoretische Physik), Geisteswissenschaften aber (bis auf wenige Ausnahmen) nicht. Das ist natürlich Quatsch, denn immerhin beschäftigen wir uns ausschließlich mit dem, was die Gesellschaft so bewegt oder bewegt hat.

Populärwissenschaftliches Bloggen muss auch Sache der Geisteswissenschaftlerinnen werden

So gern ich persönlich Mai Thi Nguyen-Kim zuhöre, wenn sie über Themen wie Transgender spricht (zur Folge), so fährt mir der Untertitel „Die Wissenschaft hinter Transgender“ doch ziemlich direkt ins Herz. „Nein“, denke ich mir, „Neurowissenschaft ist nicht DIE Wissenschaft hinter Transgender“. Denn Transgender hat nicht nur neurowissenschaftliche Aspekte. Man kann das Thema auch kulturwissenschaftliche und natürlich auch literaturwissenschaftliche untersuchen. Ihr merkt schon, das Thema „geisteswissenschaftliches populärwissenschaftliches Bloggen“ beschäftigt mich sehr. Ich denke, die Geisteswissenschaften sind nun wirklich dran zu zeigen, wie relevant sie für die Gesellschaft sind. Und darum wende ich mich heute an dich als Next-Generation-Geisteswissenschaftlerin: Starte noch heute mit dem populärwissenschaftlichen Bloggen und erobere uns Geisteswissenschaftlerinnen die gesellschaftliche Position zurück, die wir verdienen. Und damit ich mich nicht in unendlichen Betrachtungen verliere, kommen hier kurz und knackig (versprochen) fünf Gründe, warum dies nicht nur für die Geisteswissenschaften, sondern auch für dich persönlich ein Gewinn ist:

Grund Nr. 1: Mach deine Fingerübungen

Ich weiß nicht, warum du ein geisteswissenschaftliches Studium angefangen hast, aber ich vermute mal, dass Lesen nur der halbe Grund war. Wahrscheinlich schreibst du auch einfach gern. Oder es liegt dir einfach. Vielleicht möchtest du später Journalistin werden oder Texterin. Auch wenn du eher in den Bereich Social Media gehen möchtest, eines wird dir immer helfen – ein guter Schreibstil. Den bekommst du aber nur, wenn du das Schreiben auch regelmäßig übst. Und – Hand aufs Herz – in vielen geisteswissenschaftlichen Studiengängen wird das eher wenig berücksichtigt. Eine Hausarbeit zu Semesterende, das ist irgendwie zu viel und zu wenig gleichzeitig. Denn wenn du das ganze Semester nichts geschrieben hast und dann plötzlich 15 Seiten verfassen sollst, ist das einfach nur mühsam. Also: mache deine Fingerübungen indem du schreibst und zwar am besten über das, womit du dich aktuell beschäftigst also über Themen aus deinem Studium. Populärwissenschaftliches Bloggen ist dafür genau das Richtige.

Grund Nr. 2: Verbessere deinen Schreibstil

Selbst wenn du Talent hast, ein guter Schreibstil kommt nicht über Nacht. Je mehr du schreibst, desto mehr entdeckst du, was du für „Schreibmacken“ hast und die hat jeder von uns. Benutzt du gerne das Wort „jedoch“ und setzt es in jedem Text viel zu häufig ein? Leitest du öfter als nötig etwas mit „also“ ein? Oder sind deine Sätze schlicht und einfach viel zu lang, sodass man am Ende nicht mehr weiß, womit du angefangen hast? Oft sind es Kleinigkeiten, die deinen Stil beherrschen, obwohl du es vielleicht gar nicht willst. Schreibst du nur ein Mal im halben Jahr Texte, wird dir das nicht auffallen. Wenn du aber regelmäßig schreibst, dann beginnst du auch über diese kleinen Besonderheiten nachzudenken. Und du beginnst dich zu fragen, ob sie in deinen Augen wirklich zu einem guten Stil gehören.

Grund Nr. 3: Bleibe gesellschaftlich relevant

Verknüpfe die Themen, mit denen du dich in deinem Studium beschäftigst mit dem, was dich privat beschäftigt oder was du gerade für gesellschaftlich brisant hältst. Dadurch zeigst du der Welt, wie wichtig die Geisteswissenschaften im aktuellen Tagesgeschehen sind (siehe oben) und gleichzeitig bekommst du auch selbst nicht das Gefühl, im Elfenbeinturm zu verschwinden.

Grund Nr. 4: Lass die Geisteswissenschaften nicht untergehen

Damit trägst du natürlich auch dazu bei, dass deine Leser sehen, wie sehr wir in unserem Alltag mit geisteswissenschaftlichen Themen umgeben sind. Viele Themen, zu denen bereits aus naturwissenschaftlicher Sicht populärwissenschaftlich geschrieben wurde, haben wir auch etwas zu sagen. Und nicht nur das. Unsere Perspektive ist wichtig. Transgender ganz ohne kulturelle Zusammenhänge zu sehen ist einseitig. Die Zeit ist ebenfalls ein Thema mit dem wir uns gerade in der Erzähltheorie viel beschäftigen. Über Einsichten aus den Digital Humanities fange ich gar nicht erst an, denn wer könnte besser die Brücke der allgemeinen Verständlichkeit von Machine Learning, künstlicher Intelligenz, automatischer Text-Erkennung und Vorhersagung oder Prognosen schlagen als Digital Humanists? Als Menschen mit geisteswissenschaftlicher Prägung, haben sie es ja schließlich auch geschafft, sich selbst das alles zu erklären. Also lass auch du die Gesellschaft sehen: Wir sind da, wir sind viele, wir sind in der Tat Wissenschaftler und zwar für sehr relevante und aktuelle Themen!

Grund Nr. 5: Lasse dich nicht verheizen

Zu guter Letzt geht es noch einmal einzig und allein um dich. Du hast vielleicht schon davon gehört, dass manche glauben, dass wissenschaftliche Tätigkeiten einen zu stark vom eigentlichen Marktgeschehen entfernen. Nach vielen Jahren des Studierens sei man eigentlich über- und unterqualifiziert zugleich; ein „Fachidiot“ wie er im Buche steht. In der Tat besteht die Gefahr, in den Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Community abzudriften. Es ist gemütlich dort und man versteht sich meistens (trotz verschwurbelter Schreibstile). Aber wenn du aus irgendwelchen Gründen nicht im akademischen Bereich bleiben möchtest, so ist es für dich von Vorteil, wenn du zeigen kannst, dass dir das nicht passiert ist. Ein gut laufender Blog, vielleicht sogar noch mit Social Media darum herum, ist ein hervorragendes Aushängeschild für dich. Du hast immer gleich Arbeitsproben deines Schreibstils zur Hand und du kannst zeigen, dass du kompetent über gesellschaftliche Fragen argumentieren kannst. Gleichzeitig ist ein solcher Blog auch in der wissenschaftlichen Community kein Stolperstein mehr, sondern zeigt, dass du engagiert bist, dich in technische Dinge einarbeiten und dir Zusatzqualifikationen erarbeiten kannst und magst. Du hast dich also über die Arbeit an deinem Blog in eine absolute Win-Win-Situation gebracht!

Jetzt hoffe ich natürlich, dich überzeugt zu haben, dass es kein bisschen wahnsinnig ist, als Geisteswissenschaftlerin einen populärwissenschaftlichen Blog ins Leben zu rufen. Wenn du noch Fragen oder Kommentare dazu hast, schreibe sie mir gerne hier unter diesen Post und wenn du bereits einen geisteswissenschaftlich-populärwissenschaftlichen Blog hast, brenne ich darauf, ihn kennen zu lernen. Also: Verlinkungen in den Kommentaren sehr willkommen (natürlich nicht von Spam, das wird weder euch noch mich weiter bringen)!

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