Digitale Literaturrecherche: 5+1 Tipps um gute wissenschaftliche Quellen online zu finden
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Suchmaschine aufrufen, Suchwort eingeben, Ergebnisse sichten – nichts leichter als das, oder? Ja, wenn man an die Uni kommt, kann man meistens schon recherchieren. Trotzdem kommt man sich plötzlich so vor als hätte man nie zuvor im Leben eine WIRKLICHE digitale Literaturrecherche durchgeführt. Denn im Suchergebnis stehen ganz oben Wikipedia-Einträge, dann kommen Nachrichten-Artikel, dann YouTube-Videos oder neue Blogposts. Nur selten ist etwas dabei, das den hohen Ansprüchen der Wissenschaftlichkeit genügen kann. Wo aber verstecken sich die guten wissenschaftlichen Quellen? Wie bekommst du ein Gefühl dafür, sie zu erkennen? Und wie kommst du an die allerneuesten Forschungstexte heran?
Nachdem ich dir ja schon ausführlich dargelegt habe, warum Zitieren für uns Literaturwissenschaftler*innen eigentlich so wichtig ist, habe ich heute 5 + 1 Tipps für deine digitale Literaturrrecherche. Warum 5 + 1? Weil es zuerst darum geht, wie du Erkenntnisse aus deinen digitalen Literaturrecherchen nutzt, um in Zukunft immer besser, schneller, sorgfältiger Recherchiere zu können. Und dann habe ich noch eine Liste mit recht neuen Recherchemöglichkeiten für dich. Achtung hierbei, also bei der +1 handelt es sich um fachspezifisch literaturwissenschaftliche Angebote.
1. Erkenntnisse aus der Google-Literaturrecherche
Eingangs habe ich behauptet, die Google-Recherche führe dich nicht zu wissenschaftlichen Quellen. Aber das stimmt nicht immer. Wenn du sehr präzise suchst, so kannst du durchaus relevante Texte finden. Gibst du zum Beispiel „Foucault“ ein, so bekommst du eine Liste, die der oben beschriebenen sehr ähnelt: Wikipedia-Eintrag, YouTube-Videos, Zeitungsartikel usw. Gibst du aber „Foucault überwachen und Strafe“ ein, so bekommst du unter den kommerziellen Anzeigen zu diesem Werk auch Links zu wissenschaftlichen Artikeln zu deinem Suchbegriff. Klickst du darauf, kommst du zu Google Scholar der wissenschaftlichen Variante der Suchmaschine. Hier kannst du zwei Dinge tun.
- Dir einen Überblick verschaffen, aus welchen Fachrichtungen zu deinem Thema etwas geschrieben wurde.
- Schauen, welche Verlage, Zeitschriften und Plattformen hier aufgelistet sind. Vergleiche und merke dir, welche Verlage und Plattformen bei deinen Recherchen immer oder immer wieder dabei sind. Dies sind nämlich diejenigen, in denen sehr viel Wissenschaftliches publiziert und/oder zur Verfügung gestellt wird. Hier tauchen auch Plattformen wie JSTOR oder Researchgate auf, die z.T. kostenfreien Zugang zu digitalen Volltexten für die Wissenschaftscommunity ermöglichen.
2. Erkenntnisse aus der Suche in deiner lokalen Bibliotheksdatenbank
Die meisten Universitätsbibliotheken bieten einen online Katalog für die digitale Literaturrecherche an. Jetzt denkst du dir vielleicht, dass dir das gerade so rein gar nichts bringt, denn schließlich haben wir gerade das Jahr 2020 und eine Pandemie macht Besuche der Bibliotheken schwieriger als sonst. Das stimmt aber nur zum Teil. Manche Bibliotheken haben jetzt richtig aufgerüstet. Zum Beispiel die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg hat in großem Umfang Lizenzen für digital verfügbare Texte ausgeweitet. Das bedeutet, dass nun auch Studierende auf richtig viele Bücher digital zugreifen können, selbst wenn sie nicht auf dem Campus sind.
Deine digitale Literaturrecherche verfeinern durch gute Beobachtungen
Du kannst in deinem lokalen Bibliothekskatalog aber nicht nur Bücher „to go“ finden, du kannst auch hier wieder wertvolle Beobachtungen bei deiner Recherche machen. Welche Titel werden hier aufgelistet? Welche Verlage stehen ganz oben? Hier findest du meistens vor allem die großen Monografien und Sammelbände zu deinem Thema. Du bekommst also relativ schnell ein Gefühl dafür, in welchen Verlagen diese so veröffentlicht werden, wenn du eine Zeit lang darauf achtest.
Lass dir beim Zitieren helfen!
Diese Bibliothekskataloge können aber noch mehr! Oft findest du irgendwo ein Zitat-Icon oder einen anders gestalteten Button oder Textlink, der dir beim Zitieren hilft. Bei der bereits erwähnten Stabi Hamburg bekommst du über einen solchen Button eine korrekte Literaturangabe zu jedem Titel in drei unterschiedlichen Zitierstilen. Das ist aber noch immer nicht alles. Du kannst das Ganze auch so exportieren, dass du es in dein Zitierprogramm hochladen kannst. Das heißt, du kannst z.B. die Literaturangabe im Dateiformat BibTeX für Zotero herunterladen oder für Citavi im RIS-Format. Natürlich kannst du auch einfach dein entsprechendes Browser-Plugin nutzen, wenn du es installiert hast.
Das einzige Manko der digitalen Literaturrecherche per Bibliothekskatalog
Du siehst also, dass lokale Bibliotheken sehr viel tun, um deine digitale Literaturrecherche zu unterstützen. Es gibt nur einen großen Fallstrick für Studienanfänger*innen dabei. Man bekommt schnell den Eindruck, man müsse für ein gutes Literaturverzeichnis für eine Hausarbeit sehr viele, sehr lange Bücher durchlesen. Das muss man meistens nicht! Wenn du dir dein Thema so präzise und fokussiert gesucht hast, dass es dem Umfang einer Hausarbeit wirklich entspricht, findest du häufig die Erkenntnisse, die du brauchst, schon in einzelnen, spezifischen Kapiteln oder in Artikeln aus Sammelbänden.
3. Erkenntnisse aus der Recherche im übergeordneten Bibliotheksatalog
Der gemeinsame Bibliotheksverbund (GBV) ist ein Zusammenschluss vieler deutscher Bibliotheken. Im gemeinsamen Verbundkatalog kannst du nach Herzenslust recherchieren. Für viele Bibliotheken – so z.B. auch für die Stabi Hamburg – ist die Recherche hier der erste Schritt zur Fernleihe. Denn du kannst Bücher nicht nur vor Ort ausleihen, sondern dir über den Verbund auch von Bibliothek zu Bibliothek schicken lassen. Sehr praktisch!
Der GBVSteht für den Gemeinsamen Bibliotheksverbund, einen Zusammenschluss großer Bibliotheken. Mitglieder einer dieser Bibliotheken können per Fernleihe auch Bücher aus den anderen ausleihen. More hat aber noch mehr für dich. Er stellt eine Datenbank mit online Ressourcen, also Texten, die digital zugänglich sind, zur Verfügung und es gibt eine Aufsatzdatenbank. Aufsätze sind in der Wissenschaft superwichtig. In dem kürzeren Format werden häufig ganz aktuelle Einblicke in sehr spezifische Teilbereiche der Forschung gegeben. Das Format wird viel diskursiver genutzt als das der Monografie, die zu schreiben viel länger dauert. Darum findest du in den kürzeren Publikationsformaten meistens auch die aktuellsten Diskussionen. Am besten du guckst bei jeder Recherche einmal in diese Aufsatzsammlung des GBVSteht für den Gemeinsamen Bibliotheksverbund, einen Zusammenschluss großer Bibliotheken. Mitglieder einer dieser Bibliotheken können per Fernleihe auch Bücher aus den anderen ausleihen. More rein.
4. Erkenntnisse aus den Literaturverzeichnissen anderer Veröffentlichungen
Dies ist ein Tipp, den ich selbst aus meinem Studium mitbekommen habe und der wirklich den Einstieg erleichtert, wenn es darum geht, gute Literatur zu finden. Bei uns hieß es damals „schau in die Literaturverzeichnisse von Büchern zu deinem Thema“, aber da wir uns ja hier darauf konzentrieren, gute Literatur digital aufzuspüren, möchte ich dir empfehlen: Schau in die Literaturlisten von Artikeln zu deinem Thema, die in online-Zeitschriften publiziert wurden. Denn Forschende, die online publizieren, nutzen mit höherer Wahrscheinlichkeit auch selbst online Quellen als solche, die das Monografie-Format bevorzugen. Das heißt hier findest du auch oft Quellen, die für dich selbst relevant und obendrein virtuell zugänglich sein könnten. Natürlich publizieren auch viele Wissenschaftler*innen querbeet, du könntest also auch in Büchern gute online Quellen finden, aber an die kommen wir ja gerade im Moment nicht so gut heran… – Aber wie findest du nun diese online Magazine?
5. Erkenntnisse aus den Publikationen anderer Forscher*innen
Schau doch einfach mal auf der Webseite deines Lehrenden nach. Dort findest du meistens eine Kategorie „Publikationen“. Dort schaust du einfach mal drüber, ob du Links entdecken kannst. Gefunden? Dann klicke sie doch einfach mal an und schau, wo es dich hinführt. Vielleicht entdeckst du so einen neuen BlogBlog ist kurz für Web-Log und steht für ein online Publikationsformat. Man kann sowohl der als auch das Blog sagen. Es gibt Blogs aller Sparten, von Linklisten über Tagebuchartige Formate bis hin zu wissenschaftlichen Blogs. Die Veröffentlichung kann schnell und unkompliziert erfolgen oder redaktionellen Standards entsprechen. In den Geisteswissenschaften etablieren sich Blogs zunehmend als Alternative zur langwierigeren wissenschaftlichen Publikation. Lebe lieber literarisch ist ein populärwissenschaftlicher Literaturblog. Kurze Podcast-Folge zum Blog-Begriff: https://hnp9zs.podcaster.de/download/Podcast_Blog(1).mp3 More. Vielleicht wirst du aber auch zu einem relevanten online-Magazin für den Fachbereich deines Lehrenden geleitet. Einmal auf der Webseite der Zeitschrift kannst du dort die Suchfunktion nutzen, um nach weiteren Aufsätzen zu deinem Thema zu suchen.
Keine Links in der Publikationsliste? Dann versuche es mal bei einem anderen Lehrenden aus demselben Fachgebiet. Die Wahrscheinlichkeit dass du fündig wirst, steigt, je weiter du dich in Richtung der digitalen Geisteswissenschaften bewegst.
Falls du gar nicht fündig wirst, sind hier schon einmal einige einschlägige online Fachzeitschriften aus dem Bereich Digital HumanitiesAuch als digitale Geisteswissenschaften bezeichnet. Ein Forschungsfeld, in dem vielfältige digitale Methoden eingesetzt werden, um geisteswissenschaftliche Projekte zu bereichern. Das können z.B. Computerprogramme zur Textanalyse sein oder Software, mit der digitale Editionen zugänglich gemacht werden. Zum Feld der digitalen Geisteswissenschaften kann auch die Beschäftigung mit Phänomenen der Digitalisierung und die digitale Wissenschaftskommunikation gezählt werden. More:
- Zeitschrift für Digitale Geisteswissenschaften – ZfDG
- Digital Humanities Quaterly – DHQ
- Journal of Cultural Analytics
- Digital Scholarship in the Humanities – DSH (leider nicht kostenfrei)
6. Nutze Portale für deine digitale Literaturrecherche
Seit einiger Zeit schon werden für unterschiedliche Fachbereiche Portale entwickelt, die bei der Orientierung im Dschungel online angebotener Quellen und Materialien helfen sollen. Durch die Covid-19 Pandemie wurde dieser Trend sicher noch beschleunigt. Ein sehr gutes und einschlägiges Portal für die Germanistik ist GiN – Germanistik im Netz. Für dich ist wahrscheinlich GiNDok besonders interessant, eine Datenbank mit fast 5.000 Artikeln aus der germanistischen Forschung, die du online einsehen bzw. direkt herunterladen kannst. Für die Komparatistik, also die vergleichende Literaturwissenschaft gibt es mit AVLdigital ein ähnliches Portal, über das du deine digitale Literaturrecherche starten kannst.
Ein Portal, das tatsächlich anlässlich der Covid-19-Pandemie vom Forschungsverbund Marbach, Weimar, Wolfenbüttel ins Leben gerufen wurde, ist digitale-lehre-germanistik.de. Das ist zwar eigentlich für Lehrende gedacht, aber auch Studierende können hier in sorgfältig von der Forschungscommunity kuratierten Inhalten stöbern. Das Schöne an diesem Portal ist, dass du auch alternative Formate wie Blogs und Podcasts findest. Auch dieser BlogBlog ist kurz für Web-Log und steht für ein online Publikationsformat. Man kann sowohl der als auch das Blog sagen. Es gibt Blogs aller Sparten, von Linklisten über Tagebuchartige Formate bis hin zu wissenschaftlichen Blogs. Die Veröffentlichung kann schnell und unkompliziert erfolgen oder redaktionellen Standards entsprechen. In den Geisteswissenschaften etablieren sich Blogs zunehmend als Alternative zur langwierigeren wissenschaftlichen Publikation. Lebe lieber literarisch ist ein populärwissenschaftlicher Literaturblog. Kurze Podcast-Folge zum Blog-Begriff: https://hnp9zs.podcaster.de/download/Podcast_Blog(1).mp3 More und der dazugehörige PodcastDer Podcast ist ein auditives Veröffentlichungsformat. Podcasts entwickelten sich mit der Einführung von iPods und der Möglichkeit, die Plattform iTunes auch zur Veröffentlichung eigener audio-Formate zu nutzen. Podcasts erfreuen sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts zunehmender Beliebtheit und werden zum Teil auch zur Wissenschaftskommunikation eingesetzt. Im Gegensatz zum Vlog (Video-Blog) haben Podcasts keine visuelle Komponente, können aber trotzdem zum Teil auch über die Video-Plattform YouTube gehört werden. Die Sound-Dateien in den Lebe-lieber-literarisch-Blogartikeln stammen aus dem gleichnamigen Podcast, der auch unabhängig von diesem Blog auf iTunes, Spotify oder anderen Podcast-Plattformen gehört werden kann. Kurze Podcast-Folge zum Podcast-Begriff: https://hnp9zs.podcaster.de/download/Podcast_Buchtipp_Dora_und_der_Minotaurus_final.mp3 More sind z.B. dort verlinkt.
Quellen bewerten – 3 Prinzipen
Zusammenfassend möchte ich dir für deine digitale Literaturrecherche noch einmal drei Prinzipien ans Herz legen, nach denen du die Qualität eines Textes bewerten kannst:
- Nach dem Prinzip des guten Verlages kannst du davon ausgehen, dass ein Verlag (oder eine Zeitschrift) gute Quellen bereitstellt, wenn hier viel Wissenschaftliches publiziert wird.
- Dem Prinzip der guten Bibliothek folgend wirst du gute wissenschaftliche Quellen finden, wenn du Kataloge wissenschaftlicher Bibliotheken nutzt.
- Das Prinzip des guten Forschenden anzuwenden, heißt, dass Verlage oder Magazine wahrscheinlich gute Quellen für einen Fachbereich bereitstellen, wenn Dozierende aus diesem Fachbereich dort publiziert haben.
Wenn du diese drei Prinzipen und die oben stehenden 5+1 Tipps für deine digitale Literaturrecherche beherzigst, wirst du dich schon bald im Dschungel der wissenschaftlichen Publikationen zurecht finden!
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